Viele Monate haben sich die Veedel-Kinder im Mülheimer Norden ins Zeug gelegt. Am Sonntag, den 13. September, hieß es endlich: Vorhang auf zur Premiere! Die Schützenhofstraße wurde für einen Tag autofrei. Die Kids haben ihre Straße in einen großen „Sonnenblumen-Boulevard“ verzaubert. Sie haben gezeigt: Der Raum, das Viertel, in dem wir leben, ist gestaltbar. Gemeinsam können wir es verändern! Wie könnten wir die Gemeinschaft unseres Veedels ins Bild setzen und symbolisieren? Dazu haben wir tief in den Fundus der Religionsgeschichte gegriffen. Wir fuhren zu einer Blumenkünstlerin an den Bodensee. Ihre Fronleichnamsteppiche sind berühmt. Sie zeigte uns, wie man solche Teppiche legt. Als Blickfang am Ende der Straße diente uns ein dreiflügeliges Altarbild und ein in einem Reliquienkästchen verwahrter Sonnenblumenkern. Der Kern verkörperte das Wachstum unserer Nachbarschaft. Das Bild nannten wir „Das Mülheimer Triptychon“. Stefan Lochner (gest. 1451), der bedeutende Kölner Meister und Botaniker hat dieser Idee Pate gestanden. Nur haben wir sein Werk ein wenig verändert und den Mülheimer Verhältnissen angepasst. Er möge uns den Eingriff verzeihen. Sogar ein richtiges Ritual haben unsere kleinen Sonnenblumen-Novizen erlebt. Für die Kinder, die über mehrere Monate an unserem Sonnenblumenprojekt teilgenommen haben, hat Prof. Dieter Volkmann, Referent der „Ersten Mülheimer KinderUni“, ein richtiges Forscherdiplom vorbereitet. Unser Nachwuchs ist nun ganz offiziell als Krönung seiner wissenschaftlichen Karriere in den Stand der Jungforscher aufgenommen! Alles das hat dazu beigetragen, dass wir einen schönen und feierlichen Tag erlebten. Eine Anwohnerin aus der Schützenhofstraße, klassisches Mülheimer Urgestein, wollen wir stellvertretend für viele andere sprechen lassen. Spontan kam sie auf uns zu und konnte es kaum fassen. „Ich wohne hier schon seit 81 Jahren. Aber sowas? Sowas habe ich hier noch nie erlebt! So viele Blumen!“. Danach musste sie gleich ihren Sohn anrufen und von dem Wunder erzählen, das sich vor ihren Augen abspielte. Dank an alle kleinen und großen Helfer aus unserer Nachbarschaft, die wirklich Wunderbares geleistet haben!
Resonanz
Menschen ringen um Resonanz. Sie wollen wahrgenommen werden. Unerwartete Resonanz und publizistische Schützenhilfe erhält unser Zukunftsprojekt ausgerechnet durch die Vergangenheit – durch eine Arbeit des „Kölner Meisters“ Stefan Lochner (gest. 1451, vermutlich an der Pest). Wir haben das Bild kurzerhand mit in unser Konzept übernommen.
Schützenhilfe
Lochners Werk, ein dreiteiliges Altarbild, ist vor kurzem erst auf dem Dachboden der Gaststätte „Schützenhof“ wiedergefunden worden. Zufall pur! Das Bild gilt als Vorstudie zu dem berühmten Dreikönigsaltar im Kölner Dom, der klassischen biblischen Anbetungsszene durch die Weisen aus dem Morgenland. Diese Szene steht in der christlichen Tradition für die Geburt eines neuen Zeitalters. Sie markiert den Anbruch von Frieden und Gerechtigkeit.
Einig im Kerngedanken
Interessant ist, dass der Maler den Kerngedanken des Sonnenblumen-Projekts in seiner Mülheimer Vorstudie bereits vor fast 400 Jahren vorweggenommen hat. Statt des üblichen Jesuskindes hält Maria einen Sonnenblumenkern in ihren Armen. Aber nur in der Mülheimer Vorstudie! Beim Dreikönigsaltar hingegen hat Lochner den Kern wieder entfernt – wohl auf Druck seiner geistlichen Auftraggeber.
Irritationen
Unter den Gutachtern hat das Mülheimer Triptychon zu heftigen Streitigkeiten um seine Echtheit geführt. Mittlerweile haben sich die Wogen wieder geglättet. Das Bild wird damit als Jahrhundertfund in die Kunstgeschichte eingehen. Kleine Unstimmigkeiten bei den einzelnen Bildmotiven lassen sich freilich nicht mehr klären.
Das Mülheimer Triptychon geht auf Reisen
Es wird in den bedeutendsten Museen der Welt bewundert werden können. Hier in Mülheim war es vorerst nur am 13. September 2020 zu sehen.
Kunstführer
Freunde der schönen Künste beachten bitte auch die ausführliche Erläuterung des Mülheimer Triptychons und seiner Geschichte durch den Kunstsachverständigen und Gymnasiallehrer a.D. Prof. Willi Zonnebloem, Sonneberg (Thüringen). Den elektronischen Volltext findest Du oben zum Download.
Danke an Prof. Zonnebloem für seine erstklassige Expertise!
Ach! So!
Fast hätten wir’s vergessen. Immer wieder werden wir gefragt, warum Stefan Lochner bei der Geburtsszene in Bethlehems Stall (Horn-) Ochse und Esel zu malen vergessen hat? Die richtige Antwort heißt: nicht vergessen. Er hat nur den Betrachter in die Gesamtkonzeption mit einbezogen. Sie dürfen sich also gerne mal auch an den eigenen Hörnern packen!
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